Ratsfraktionen sehen Europawahl als wichtigen Stimmungstest 

Der Ausgang der aktuellen Europawahlen hat viele Menschen wach gerüttelt, obwohl mit einem solchen Ergebnis zu rechnen war, war das Entsetzen am Morgen danach doch spürbar. 

In einer Umfrage unter den Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien in Bad Oeynhausen wurden die Meinungen und Standpunkte abgefragt. Außerdem konnte zu den Ergebnissen der Wahlen unter Bezug auf die demnächst anstehenden Kommunalwahlen Stellung bezogen werden. 

Quelle: WestfalenBlatt Bad Oeynhausen vom 15.06.24 von Malte Samtenschnieder.


Ergebnis lässt nach Auffassung der Verantwortlichen nur bedingt Rückschlüsse auf Kommunalwahl 2025 zu.

Noch ist mehr als ein Jahr Zeit, bis voraussichtlich im September oder Oktober 2025 in NRW die nächste Kommunalwahl ansteht. Dennoch sind die Ergebnisse der Europawahl 2024 in Bad Oeynhausen für die Fraktionen im Stadtrat ein wichtiger Stimmungstest.

Das hat eine Umfrage unter den Fraktionen im Rat der Stadt Bad Oeynhausen ergeben. Im Nachgang zur jüngsten Wahl am 9. Juni wollte die Lokalredaktion von den jeweiligen Verantwortlichen Folgendes wissen: „Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Ergebnis der Europawahl 2024 in Bad Oeynhausen für die nächsten Wahlen – insbesondere für die Kommunalwahl 2025?“ Mit Ausnahme der AfD kamen alle Ratsfraktionen der Bitte um eine Stellungnahme nach. Hier die Reaktionen im Überblick:

CDU

 „Konsequenzen aus dem Europawahlergebnis für die nächsten Wahlen, insbesondere die Kommunalwahl 2025, ergeben sich bei uns in Bad Oeynhausen insofern, als ich davon überzeugt bin, dass wir als CDU die Tendenz des Stimmenzuwachses weiterhin verbessern werden“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Kurt Nagel. „Daran arbeiten wir weiterhin mit voller Kraft und guten Erfolgen bei der Umsetzung zahlreicher Projekte in unserer Stadt.“

Die Bürgerinnen und Bürger realisierten die Erfolge der Arbeit der CDU sehr wohl und würden die Handschrift der CDU erkennen. Kurt Nagel: „Das spiegeln uns zahlreiche Rückmeldungen aus der Bürgerschaft.“

Ergebnisse einer Europawahl lassen sich nach Auffassung des Fraktionsvorsitzenden ohnehin nicht auf Kommunalwahlergebnisse übertragen. Aber: „Die völlig anderen Anforderungen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung werden nach unserer Überzeugung von der Bürgerschaft erkannt und bei ihrem Votum auch berücksichtigt“, resümiert Kurt Nagel.

SPD

„Eine Abstimmung für Bad Oeynhausen kann die Europawahl nicht gewesen sein, dafür sind die Unterschiede beider Wahlen zu groß“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Olaf Winkelmann. Denn kommunal werde über örtliche Themen entschieden. „Hier haben die Bürgerinnen und Bürger ein besonderes Empfinden, das wir in den wenigen Bürgerversammlungen deutlich spüren und als Auftrag annehmen“, sagt Olaf Winkelmann.

Es seien allerdings Wahltrends erkennbar, auf die die SPD mindestens in drei Punkten reagieren müsse. „Viele Erst- und Jungwähler wählen populistisch, hier müssen wir gegensteuern und Angebote zum Demokratieerhalt vor Ort anbieten“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Zudem gebe es zu viele Fragen zur Stadtentwicklung. Olaf Winkelmann: „Wir brauchen also mehr Beteiligung und Verständlichkeit bei Bürgermeisterentscheidungen, sprich: deutlich mehr öffentliche Bürgerinformationen.“

Schließlich gebe es auch zur Kommunalwahl, wie schon bei der Europawahl, keine Fünf-Prozent-Hürde. „Daher kommt es auf die demokratische Mitte in Bad Oeynhausen an, einen soliden Kompass für 2030 für unsere Stadt zu verhandeln: ohne weitere Steuererhöhungen, für mehr Sicherheit durch Polizei, für mehr Geld in unseren Kindergärten und Schulen, für mehr Anstrengungen in Straßenerhalt und eine schönere Stadtbildpflege“, sagt Olaf Winkelmann.

Grüne

„Trotz einer zufriedenstellenden Wahlbeteiligung bedeutet die europapolitische Perspektive dieser Wahl, dass sich ein zunehmender Teil der Bad Oeynhausenerinnen und Bad Oeynhausener kritisch gegenüber Europa positioniert“, sagt Volker Brand. Er ist Vorsitzender der Grünen- Fraktion im Stadtrat.

In diesem Zusammenhang sei es die unbedingte Aufgabe aller demokratisch orientierten Parteien, den großen Gewinn der europäischen Idee auch für Bad Oeynhausen viel stärker herauszuarbeiten, indem die von Europagegnern propagierten angeblichen Nachteile der EU für Deutschland als sachlich falsch dargestellt werden. „

Zudem müssen alle Demokraten in Bad Oeynhausen diese Wahl als Ansporn sehen, den Rechtsextremismus in unserer Stadt konsequent und gemeinsam zurückzudrängen“, betont Volker Brand. Dabei gelte es im Besonderen, die junge Generation in dieser Stadt für europäische und demokratische Ziele (zurück) zu gewinnen.

BBO

„In der Regel unterscheiden Wähler kaum zwischen Kommunal- und Bundestagswahlen, das heißt die Präferenz zu den einzelnen Parteien bildet sich auch in der Gemeinde ab“, sagt Reiner Barg, Vorsitzender der BBO-Ratsfraktion. Die letzte Kommunalwahl habe dies deutlich gezeigt: Wahlsieger seien – gemäß damaliger politischer Stimmung im Bund – Grüne und CDU geworden, obwohl laut Reiner Barg bei sachlicher Betrachtung in Bad Oeynhausen dafür eigentlich kein Grund bestand.

Die Aufgabe der Politik besteht laut Reiner Barg darin, die Bürgerschaft für die kommunalen Themen zu begeistern, die Plattformen für den kommunalen Dialog zu schaffen und sich unbedingt weniger mit sich selbst zu beschäftigen: „Demokratie ist eine sehr anspruchsvolle Gesellschaftsform. Sie braucht Menschen, die sich mit ihrem Land, ihrer Gemeinde identifizieren, Gestaltungswillen zeigen, und Parteien, die an der Meinungsbildung des Volkes mitwirken und Vertrauen in ihre Kompetenz vermitteln.“

Leider sei dieses Vertrauen der Menschen in die Kompetenz der Parteien, Probleme zu benennen und zu lösen, offensichtlich erschüttert. Reiner Barg: „Dass dieses, nennen wir es ‚Problemlösungsvakuum‘, Populisten für sich nutzen und sie attraktiv werden lässt, ist eine unangenehme Folge und in der Tat eine Gefahr für unsere Demokratie.“

FDP

„Unter Berücksichtigung der schlechten Vorhersagen für die FDP zwischen drei und vier Prozent muss man sich wohl mit den 5,5 Prozent in Bad Oeynhausen und 5,2 Prozent bundesweit zufriedengeben“, sagt Ulrich Kreft. Er ist Stadtverbandsvorsitzender der FDP.

Natürlich zeigten im Hinblick auf die Europawahl die aktuellen Entwicklungen in Berlin ihre Auswirkungen. Hinzu komme eine systematische Kampagne der Populisten aus AfD, BSW und anderen gegen Europa. Ulrich Kreft: „Hier sind wir alle aufgefordert, entgegenzuwirken. Wir benötigen gerade in diesen unruhigen Zeiten ein starkes, einiges Europa.“ Die Kommunalwahl 2025 betrachte die heimische FDP vollkommen losgelöst vom Ergebnis der Europawahl. Hier gehe es um sachbezogene Politik für die Menschen in Bad Oeynhausen.

„Wie schützen wir die Kommune vor dem finanziellen Kollaps? Wie können wir die wenigen vorhandenen Gelder möglichst sinnvoll einsetzen? Was müssen wir tun, um als Standort attraktiv zu bleiben?“, nennt Ulrich Kreft einige drängende Fragen.

Zudem sind alle aufgefordert, daran zu arbeiten, dass Verwaltungsprozesse weiter digitalisiert und optimiert würden und sich die Verwaltung wieder als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger verstehe. Der Stadtverbandsvorsitzende: „Politik muss die Richtung weisen und kritisch hinterfragen. Das wird uns alle in der FDP weiter fordern, aber wir sind bestens dafür aufgestellt.“

Kompass

„Man kann ökologisch denken, ohne grün zu sein! Man kann sozial denken, ohne links zu sein! Man kann seine Heimat und Kultur lieben, ohne rechts zu sein! Aber man kann nicht AfD wählen und sich für anständig oder christlich halten!“ Mit diesem Ausspruch eines unbekannten Verfassers beschreibt Vorsitzender Andreas Korff die Position der Kompass-Fraktion.

Der Rechtsruck in ganz Europa sei beschämend und kein reines „Ostproblem“, wenn man allein das Ergebnis im Wahlkreis Dehme betrachte. Und dennoch mache einen gerade mit Blick auf die Geschichte, Stichwort „antifaschistischer Schutzwall“, das Ergebnis in den neuen Bundesländern fassungslos.

Andreas Korff: „In Bad Oeynhausen wird Kompass im nächsten Jahr als ‚Bunte Alternative‘ statt der ‚Braunen Alternative‘ zu den etablierten Parteien wählbar sein.“ Der Vorsitzende der Kompass-Fraktion schließt mit einem weiteren Zitat, diesmal von Helmut Schmidt: „In der Krise beweist sich der Charakter.“